Unter der Stadt

MAM:manufaktur für aktuelle musik arbeitet mit dem Frankfurter Komponisten Hannes Seidl in zwei neuen Stücken zusammen: 21 Songs in a Public Surrounding und B-Ebene. Underground Stories widmen sich den Zwischenräumen, dem Gleichzeitigen, und feiern die Vielstimmigkeit.

Die B-Ebene der Hauptwache Frankfurt ist eine großartige Bühne. Gerahmt von grün gekachelten Säulen und Wänden, beleuchtet von gelblichem Licht wirkt dieser Ort wie ein Konzentrat der Stadt. Hier wirkt jeder Gang wie ein Auftritt, jedes (Selbst-)Gespräch wie eine kleine Szene, und wartende Personen, Verkäufer*innen, die Obst und Getränke anbieten, oder herumlungernde Jugendliche werden zu lebenden Tableaus.

Aus Beobachtungen und Aufzeichnungen dieses Ortes, aus Interviews mit Menschen, die dort jeden Tag verbringen, haben acht Musiker*innen des Ensemble MAM:manufaktur für aktuelle musik gemeinsam mit Schüler*innen der IGS Süd und der Komponist und Musiktheatermacher Hannes Seidl ein Stück für den Saal des Mousonturms entwickelt, das die Vielstimmigkeit feiert. In einer von der Szenografin Natalia Orendain geschaffenen Theaterlandschaft entsteht das Porträt einer Stadt aus verschiedensten Perspektiven: wie sie sein könnte, wie sie vielleicht einmal war, wie sie sich selbst sieht. In das wie selbstverständlich wirkende Zusammenspiel blitzen vereinzelt Momente des Unwahrscheinlichen, Fantastischen ein, um Teil der polyphonen Mehrchörigkeit zu werden.

In 21 Songs in a Public Surrounding ziehen Musiker:innen von MAM durch die B-Ebenen europäischer Großstädte, knallbunt, laut und mit anarchischer Freude. Sie durchbrechen den geschäftigen Alltag unter der Stadt und laden dazu ein, sich dem Ort und seinen Klängen, Gerüchen, Menschen zu öffnen – mit der Freiheit, alles auch ganz anders wahrzunehmen. Sie rufen dazu auf, für einen kurzen Moment gemeinsam sich selbst und den Moment zu feiern, trotz und wegen all dem, was an Unabgegoltenem, Unfertigem, Unmöglichem, womöglich Peinlichem unter die Oberfläche der Stadt dringt. Die Gruppe erschafft dabei ein merkwürdiges Kollektiv mit ihren Songs, einem wilden Mix aus energetischer Musik, Bekenntnis und normalerweise gut geschützten Unsicherheiten, die sie durch Eingriffe in den öffentlichen Raum quer durch Europas Untergrundpassagen aufspürt. Wer sind diese Wesen? Ihre Namen klingen wie Passwörter, von „den Menschen“ distanzieren sie sich stets durch Anführungszeichen. Anscheinend reisen sie durch die Zeit. Sind sie posthuman? Aliens? Oder einfach nur verkleidete Sozialarbeiter*innen?

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